Der ev.-luth. Dekanatsbezirk Kronach-Ludwigsstadt feierte den Reformationstag mit einem Fest-Gottesdienst in der Christuskirche. Dabei wurde ein besonderes Werk vorgestellt.
Dekanin Dr. Ulrike Schorn führte das Dekanats-Testament feierlich ein.
Ein richtiger Wälzer mit mehreren hundert Seiten ist es geworden: Wie viele Stunden Arbeit sich hinter dem schlichten Titel „Dekanats-Testament“, aufgedruckt in einem geschmackvollen roten, den dunkelblauen Buch-Umschlag umschließenden Bogen, kann man nicht einmal erahnen. In den 23 Kirchengemeinden des Dekanatsbezirks Kronach-Ludwigsstadt waren die 27 Schriften des Neuen Testaments liebevoll von Hand abgeschrieben worden. Beim gemeinsamen Reformationsfest-Gottesdienst aller Kirchengemeinden des Dekanatsbezirks wurde das Identifikation stiftende Glaubensbekenntnis erstmals präsentiert.
„Nicht nur für die evangelische Kirche, sondern für uns alle ist das Verständnis von Freiheit durch die Reformation geprägt“, zeigte sich Dekanin Dr. Ulrike Schorn in ihrer Begrüßung sicher, dass die - um sie lesen und verstehen zu können - vor über 500 Jahren von Martin Luther und seinen Mitstreitern ins Deutsche übersetzte Bibel zum wichtigen Ankerpunkt der Kirche geworden sei – und zwar in ökumenischer Verbundenheit. Das Wort stehe dann auch ganz augenfällig im Mittelpunkt der gemeinsamen Feier, wenn das neue vollendete „Dekanats-Testament“ seine feierliche Einführung erfahre.
Das September-Testament war der Urdruck von Martin Luthers Übersetzung des griechischen Neuen Testaments in die frühneuhochdeutsche Sprache. Luther übersetzte das Neue Testament während seines Aufenthalts auf der Wartburg. Das Buch kam am 21. September 1522 in den Handel. Um an das 500-jährige Jubiläum zu erinnern, hatte das Dekanat Kronach-Ludwigsstadt eine Aktion ins Leben gerufen: Jede der 23 Kirchengemeinden - von Burkersdorf bis Lauenstein - schreibt ein biblisches Buch des Neuen Testaments ab und zeichnet für eine Schrift verantwortlich. Startschuss war an Pfingsten 2022, als die Dekanats-Visitation durch Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner mit einem Gottesdienst in der Markgrafenkirche Seibelsdorf ihren Abschluss gefunden hatte. Die Regionalbischöfin des Kirchenkreises Bayreuth übernahm das Abschreiben der ersten Zeilen des - der Kirchengemeinde Seibelsdorf zugedachten - Briefs an die Epheser. Seitdem lag in den jeweiligen Kirchen des Dekanats jeweils eine Bibel-Vorlage, liniertes Papier und Stifte bereit. Die Texte konnten von allen Besuchern nacheinander handschriftlich abgeschrieben werden. Nachdem alle zusammengekommen waren, wurden die Blätter von der Buchdruckerei der Justizvollzugsanstalt Bayreuth zu einem stattlichen Buch gebunden: Dem wunderbaren Dekanats-Testament!
„Damit können wir uns in die Tradition des Reformators Martin Luther stellen und konnten gleichzeitig ein gemeinsames neues Testament unseres Dekanatsbezirks schaffen, das auch in Zukunft für uns alle gemeinsam steht“, zeigte sich die Dekanin dankbar, dass sich alle Kirchengemeinden an diesem Projekt - auch die Pfarrerinnen bzw. Pfarrer und Mitarbeitenden - beteiligt hatten und damit das Gemeinschafts-Werk gelingen konnte. Unter ihnen war auch der mittlerweile ehemalige Landesbischof der ev.-luth. Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, bei einem Besuch in Lauenstein. Großer Dank galt auch den Organisatoren vor Ort sowie dem Schriftsteller Ingo Cesaro für den Entwurf des Umschlagbogens.
Nachdem das Dekanats-Testament von der Dekanin feierlich in den Dienst gestellt worden war, oblag es Kirchenvorstandsmitglied Sabine Alfort, die ersten Zeilen (Mt. 7, 24 – 25) daraus vorzulesen. Es folgen drei biblische Lesungen von jeweils einem Vertreter aus den drei Regionen des Dekanats: Monika Wich las aus dem Lukas-Evangelium „Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren“ (abgeschrieben in der Kirchengemeinde Steinbach am Wald), Vera Schüler-Reiß aus dem Kolosser-Brief „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen“ (Kirchengemeinde Unterrodach) sowie Horst Moser aus dem Johannes-Evangelium „Im Anfang war das Wort“ (Kirchengemeinde Kronach). Im Anschluss reflektierte das Dekans-Ehepaar abwechselnd das Gehörte.
„Die Bibel ist immer für Überraschungen gut“, bekundete Dekan Dr. Markus Müller in seiner eindrücklichen Predigt. Selbst über 500 Jahre nach der Übersetzung durch Luther und seinen Mitstreitern spreche die überlieferte Botschaft der Bibel uns immer wieder neu an, überrasche bis heute, fordere heraus und schenke Hoffnung. Deshalb nennen die Christen dieses alte Bibelbuch die Heilige Schrift, das Wort Gottes. Das Motto des Fest-Gottesdienstes „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen“ sei hierfür ein exzellentes Beispiel. Dies gelte gerade in der aktuellen Zeit, in der die Verunsicherung unter den Menschen groß sei, die Kriegsschauplätze in der Welt nicht weniger würden, Nachrichten gleichsam im Minutentakt in unsere Wohnzimmer hineingekippt würden, sich die Medien im Sekundentakt mit angeblicher Aktualität übertreffen wollten und oftmals ein Eindruck von Endzeit-Stimmung erweckt werde.
Musikalisch sehr stimmungsvoll umrahmt wurde der Gottesdienst vom Bezirksposaunenchor unter Leitung von Andreas Thiel und Hilmar Bauerfeind an der Orgel.
Große Freude über die Vollendung des Dekanats-Testaments:
(von links) Dekan Dr. Markus Müller, die Lektoren Vera Schüler-Reiß, Horst Moser, Sabine Alfort,
Dekanin Dr. Ulrike Schorn, Lektorin Monika Wich und der Schriftsteller Ingo Cesaro.
Bilder und Text: Heike Schülein